{"id":1250,"date":"2010-10-27T15:38:05","date_gmt":"2010-10-27T13:38:05","guid":{"rendered":"http:\/\/www.selzer-reiff.kunde-formativ.net\/?p=1250"},"modified":"2019-10-11T16:30:07","modified_gmt":"2019-10-11T14:30:07","slug":"die-haftung-des-faktischen-geschaeftsfuehrers","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.selzer-reiff.de\/archiv\/die-haftung-des-faktischen-geschaeftsfuehrers\/","title":{"rendered":"Die Haftung des faktischen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrers"},"content":{"rendered":"
Von Rechtsanw\u00e4ltin Notarin Bettina Schmidt<\/p>\n
Nach einem BGH-Urteil vom 11.Juli 2005, Az II ZR 235\/03 ist der faktische Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer einer GmbH nicht nur zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages nach \u00a7 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, sondern hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Vers\u00e4umung dieser Pflicht (hier: Ersatz von Zahlungen nach \u00a7 64 Abs. 2 GmbHG) zu tragen (im Anschluss an Senat, BGHZ 104, 44; BGHZ 150, 61).<\/p>\n
Das GmbH-Gesetz verpflichtet den GmbH-Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer gem\u00e4\u00df \u00a7 64 Abs. 1 GmbHG in den F\u00e4llen der \u00dcberschuldung oder Zahlungsunf\u00e4higkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen.<\/p>\n
\u00a7 64 Abs. 2 GmbHG verpflichtet ihn zur Erstattung von Zahlungen, die er trotzdem noch geleistet hat, sofern sie nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Diese Pflichten treffen auch den faktischen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer, weshalb in der Vergangenheit regelm\u00e4\u00dfig heftig dar\u00fcber gestritten wurde, ob die eine GmbH zwar dominierende, jedoch nicht zum Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer bestellte Person \u00fcberhaupt als faktischer Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer anzusehen ist. Der BGH hatte nunmehr folgenden Fall zu entscheiden: Der Kl\u00e4ger nimmt als Insolvenzverwalter \u00fcber das Verm\u00f6gen einer GmbH (im Folgenden: Schuldnerin)
den Beklagten als faktischen (Mit-)Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer der Schuldnerin gem\u00e4\u00df \u00a7 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen in Anspruch. Die Schuldnerin hat den Auftragsbestand \u00fcbernommen und f\u00fchrt seit 1998 den Gesch\u00e4ftsbetrieb einer GmbH weiter, an der der Beklagte beteiligt gewesen war. Er zahlte au\u00dferdem f\u00fcr die Nutzung des Betriebsgrundst\u00fccks und das betriebsnotwendige Anlageverm\u00f6gen Mietzins an eine GbR, an der der Beklagte zur H\u00e4lfte beteiligt war, und hatte auf ein Darlehen monatliche Zins- und Tilgungszahlungen an eine GmbH zu erbringen, an der der Beklagte ebenfalls zur H\u00e4lfte beteiligt war.
Aufgrund laufender Gesch\u00e4ftsbeziehung f\u00fchrte die Schuldnerin f\u00fcr die Gesellschaft au\u00dferdem Auftr\u00e4ge aus und bezog Material von ihr.<\/p>\n
Der Beklagte war vom Alleingesellschafter der Schuldnerin bevollm\u00e4chtigt worden, ihn umfassend im Rahmen von Gesellschafterversammlungen und allen anderen T\u00e4tigkeiten, Aufgaben und \u00dcberwachungen bei der Schuldnerin zu vertreten. Zudem war er gegen eine monatliche Verg\u00fctung f\u00fcr den gesamten finanziellen Bereich der Schuldnerin unter Ausschluss des satzungsm\u00e4\u00dfigen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrers alleine zust\u00e4ndig und hatte auch alleine Bank- und Zeichnungsvollmacht \u00fcber das einzige Gesch\u00e4ftskonto der Schuldnerin erhalten. Entsprechend nahm er alleine auch die \u00dcberweisung s\u00e4mtlicher Zahlungen f\u00fcr den laufenden Gesch\u00e4ftsbetrieb der Schuldnerin vor und die Kontoausz\u00fcge wurden an seine Gesch\u00e4ftsadresse bei der GmbH gesandt, die auch die Buchhaltung der Schuldnerin f\u00fchrte. Ungef\u00e4hr einmal monatlich suchte der Beklagte den Betriebssitz der Schuldnerin auf, um die T\u00e4tigkeit des satzungsm\u00e4\u00dfigen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrers vor Ort zu kontrollieren und diesem Weisungen und Anleitungen zu erteilen. Dieser hatte faktisch die Stellung eines f\u00fcr die Akquisition von Auftr\u00e4gen zust\u00e4ndigen Au\u00dfendienstmitarbeiters der
Schuldnerin und eines Kontrolleurs der Durchf\u00fchrung ihrer Auftragsarbeiten vor Ort, verf\u00fcgte lediglich \u00fcber eine Bargeldkasse bis maximal 5.000 DM und durfte weder Einstellungen noch Entlassungen von Arbeitnehmern oder Lohnerh\u00f6hungen t\u00e4tigen.<\/p>\n
Der Beklagte wurde vom BGH angesichts dieser Umst\u00e4nde als faktischer Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer angesehen. Wesentlich sei n\u00e4mlich neben der internen Beherrschung der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung auch die ebenfalls notwendige und gesondert festzustellende aktive Stellung im Au\u00dfenverh\u00e4ltnis, hier insbesondere die Beziehung zu der das Gesellschaftskonto f\u00fchrenden Bank, der bestimmende Einfluss des Beklagten auf die Wahl der von der Gesellschaft erf\u00fcllten Forderungen und die Vereinbarung von Zahlungsbedingungen mit dem Hauptlieferanten. Dies reiche, um das Auftreten des Beklagten als faktische Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung einzustufen, zumal die Zust\u00e4ndigkeit des berufenen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrers auf Akquisition, Au\u00dfenwerbung und Ausf\u00fchrungskontrolle beschr\u00e4nkt gewesen sei.<\/p>\n
Die Haftung auch des nur faktischen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrers aus \u00a7 64 Abs. 2 GmbHG ist seit langer Zeit anerkannt, wobei die Rechtsprechung den faktischen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer in der Vergangenheit nur dahin umschrieben hat, er f\u00fchre die Gesellschaft wie ein Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer (BGH, Urt. v. 24.10.1973 – VIII ZR 82\/72 – WM 1973, 1354).<\/p>\n
Mit Urteil vom 21.03.1988 (II ZR 194\/87 – BGHZ 104, 44, 46) hat der II. Zivilsenat allerdings klargestellt, dass die faktische Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung keineswegs die v\u00f6llige Verdr\u00e4ngung eines bestellten Gesch\u00e4ftsf\u00fchrers zur Voraussetzung habe.<\/p>\n
Entscheidend sei ganz alleine, ob der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft ma\u00dfgeblich in die Hand genommen habe. Die Notwendigkeit einer Au\u00dfenwirkung hat der II. Senat mit Urt. v. 25.02.2002 (II ZR 196\/00 – BGHZ 150, 61) besonders betont, f\u00fcr die Annahme einer faktischen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung gen\u00fcge nicht die gesellschaftsinterne Einwirkung auf die satzungsm\u00e4\u00dfigen Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer, erforderlich sei auch ein nach au\u00dfen hervortretendes, \u00fcblicherweise der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung zuzurechnendes Handeln.<\/p>\n
Dies findet seine Grundlage in der \u00dcberlegung, dass der von dem Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer entgegen \u00a7 64 Abs. 2 GmbHG bediente Gl\u00e4ubiger anderenfalls eine Insolvenzforderung gehabt h\u00e4tte. Leistet nun der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer im Umfang der verbotenen Zahlung Ersatz in die Masse, ist diese um die nicht entstandene Insolvenzforderung bereichert. Mit Urteil vom 08.01.2001 (II ZR 88\/99 – BGHZ 146, 264) hat der II. Zivilsenat den Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer verpflichtet, entgegen \u00a7 64 Abs. 2 GmbHG geleisteteZahlungen in voller H\u00f6he (also nicht um die Insolvenzquote gek\u00fcrzt) zu erstatten.<\/p>\n
Entsprechend sei ihm vorbehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und H\u00f6he mit dem Betrag decke, den der beg\u00fcnstigte Gesellschaftsgl\u00e4ubiger im Insolvenzverfahren erhalten h\u00e4tte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsanspr\u00fcche der Masse, die durch seine Zahlung begr\u00fcndet wurden, seien gegen Dritte Zug um Zug an den Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer abzutreten.<\/p>\n
F\u00fcr die Praxis liegt nun endlich ein konkreter Einzelfall vor, mit dessen Hilfe einfacher gepr\u00fcft werden kann, ob im jeweiligen Fall eine faktische Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung tats\u00e4chlich vorliegt. F\u00fcr den bestellten Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer d\u00fcrfte interessant sein zu sehen, f\u00fcr welche Entscheidungen er selbst noch zust\u00e4ndig bleibt. Solange sich die faktische Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung n\u00e4mlich durch einen anderen auf bestimmte Bereiche beschr\u00e4nkt, bleibt dem bestellten Gesch\u00e4ftsf\u00fchrer damit weiterhin die M\u00f6glichkeit der Gesch\u00e4ftsf\u00fchrung.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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