30.10.2019

Testamente und Erbverträge mit Auslandsberührung – Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO)

von Notarin Sonja Reiff

Soll ein Testament oder Erbvertrag erstellt werden, dann stellen sich viele Fragen und es gibt zu beachtende Probleme, sobald ein Auslandsbezug besteht. So ist immer zu schauen, welches Recht aus welchem Land Anwendung findet, wenn der Erblasser beispielsweise nicht deutscher Staatsbürger ist oder dauerhaft im Ausland lebt.

Auch nach Erstellung eines Testaments oder Erbvertrags können aber noch entsprechende Probleme auftreten, wenn z.B. ein deutscher Erblasser langfristig ins Ausland auswandert.

Bis zum 17.08.2015 beurteilte sich das einschlägige Erbrecht nach dem deutschem internationalen Privatrecht (Art. 25 1 EGBGB a.F.) nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte auch jedes EU-Land eigene und zum Teil sehr unterschiedliche Regelungen, welches Erbrecht im Falle von Auslandsbezug Anwendung finden soll.

Seit dem 17.08.2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), welche in den EU-Mitgliedstaaten, mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Vereinigte Königreich, eine einheitliche Regelung trifft.

Nach der EuErbVO bestimmt sich das einschlägige Erbrecht nicht nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern nach dessen gewöhnlichen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Erbfalls.

Das bedeutet jedoch, dass für deutsche Staatsangehörige, die ins Ausland auswandern, im Erbfall das Recht des Landes gilt, in dem sie leben.

Es gibt jedoch nach der EU-Erbrechtsverordnung auch die Möglichkeit, eine Rechtswahl zu treffen (Art. 22 EuErbVO) und ein anderes Recht zu wählen, als das des Wohnortes. Allerdings kann der Erblasser sich nicht irgendein Erbrecht aussuchen, sondern kann abweichend zu dem Recht des Aufenthaltsortes nur das Recht des Landes wählen, dessen Staatsangehöriger er ist.

Das bedeutet jedoch auch für ausländische Mitbürger, die dauerhaft in Deutschland leben, jedoch planen, ins Ausland auszuwandern, dass diese nicht die Möglichkeit haben, deutsches Recht zu wählen.

Zudem setzt sich die Rechtswahl aus zwei unterschiedlichen Punkten zusammen. So kann der Erblasser zum einen das Erbstatut wählen, also welches Erbrecht grundsätzlich Anwendung finden soll. Zum anderen kann der Erblasser das Testamentsstatut wählen. Das bedeutet, dass er wählen kann welches Recht für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung seines Testaments oder Erbvertrages gelten soll.

So ist es beispielsweise möglich, dass Erblasser mit unterschiedlichen Staatsbürgerschaften bei der Erstellung eines Erbvertrages in diesem eine Wahl des Testamentsstatuts treffen, wobei sie sich dafür das Recht des Landes aussuchen können, dem zumindest einer von ihnen angehört.

Bereits vor Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung galt im Rahmen des Internationalen Privatrechtes, dass zwischen Deutschland und anderen Ländern geschlossene Staatsverträge vorrangig gelten. Dies ist auch nach Inkrafttreten der europäischen Verordnung immer noch der Fall. Entsprechende Staatsverträge sind das Deutsch-iranische Niederlassungsabkommen, der deutsch-türkische Konsularvertrag sowie der Deutsch-sowjetische Konsularvertrag.

Beispielsweise im deutsch-türkischen Konsulatsvertrag ist geregelt, dass sich das Recht des beweglichen Vermögens nach der Staatsbürgerschaft beurteilt und das Recht des unbeweglichen Vermögens nach dem Belegort. Hat somit ein deutscher Staatsangehöriger ein Grundstück in der Türkei, so wird dieses nach türkischem Recht vererbt, wogegen das restliche Vermögen nach deutschem Recht vererbt wird. Es tritt somit eine Nachlassspaltung auf.

Haben andersherum türkische Staatsbürger Immobilien in Deutschland, so können sie bezogen auf diese Immobilien in Deutschland Testamente und Erbverträge schließen, welche die Erbfolge nach deutschem Recht bestimmen.

Möchte ein in Deutschland lebender Erblasser, der jedoch keine EU-Staatsbürgerschaft, sondern eines Drittlandes hat, ein Testament oder einen Erbvertrag schließen, dann muss im Einzelfall überprüft werden, welches Erbrecht für ihn gilt und ob eine Rechtswahl möglich ist. Wird beispielsweise in dem Testament die Rechtswahl im Hinblick auf deutsches Recht getroffen, besteht jedoch die Gefahr, dass diese Rechtswahl in dem Heimatland des Erblassers nicht akzeptiert wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei der Testamentserstellung mit Auslandsbezug oder auch bei einem möglichen zukünftigen Auslandsbezug besondere Vorsicht an den Tag zu legen ist und eine vorherige Beratung und spätere Erstellung durch einen Notar dringend zu empfehlen ist.