06.08.2021

Erbe & Testament: Pflichtteilsstrafklausel – Wie kann verhindert werden, dass ein enterbtes Kind seinen Pflichtteil geltend macht?

von Notarin Sonja Reiff

Viele Paare und Ehepaare entscheiden sich für die testamentarische Gestaltung des sogenannten „Berliner Testamentes“. Dabei handelt es sich um ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag, in dem sich die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen: Erst wenn beide Eltern verstorben sind, sollen die Kinder erben.

Beim Erbfall des Erstversterbenden sind somit die Kinder nicht als Erben bedacht. In einem solchen Fall steht den Kindern dennoch ein Pflichtteilsanspruch zu. Dieser bezieht sich in der Höhe auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er ist ein Anspruch in Geld.

Hat ein Paar beispielsweise zwei Kinder und ist in der Zugewinngemeinschaft verheiratet, so wäre der gesetzliche Erbteil des Ehegatten 1/2 und der der beiden Kinder je 1/4. Jedes Kind hat dann im ersten Erbfall einen Anspruch auf Zahlung von 1/8 des Nachlasswertes als Pflichtteil.

Fordern die Kinder sofort die Auszahlung ihres Pflichtteils, so kann dies finanzielle Schwierigkeiten auslösen. Häufig ist der größte Vermögenswert im Nachlass eine Immobilie oder der Miteigentumsanteil an einer solchen. Wenn nun ein oder mehrere Kinder ihren Pflichtteil geltend machen, kann dieser Betrag oftmals nicht ohne weiteres in bar von dem länger Lebenden aufgebracht werden. Er muss die Immobilie belasten oder schlimmstenfalls verkaufen.

Viele Paare möchten eine solche Situation vermeiden. Es ist ihnen wichtig, dass der länger lebende Ehepartner im Alter ausreichend versorgt ist. Daher haben sie ein großes Interesse daran, dass die Kinder im ersten Erbfall ihren Pflichtteil nicht geltend machen. Der Pflichtteilsanspruch muss nämlich ausdrücklich eingefordert werden. Wird er dies nicht, verjährt er nach der regelmäßigen Verjährungsfrist nach 3 Jahren.

Welche Möglichkeit haben die Ehepartner, um eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu verhindern?

Um den Kindern einen Anreiz zu geben, auf die Pflichtteilsansprüche im ersten Erbfall zu verzichten, können die Ehegatten in das Testament oder den Erbvertrag eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel aufnehmen.

Die Klausel besagt, dass für den Fall, dass ein Kind seinen Pflichtteilsanspruch beim Erbfall des erstversterbenden Elternteils geltend macht, es und seine Abkömmlinge beim Erbfall des letztversterbenden Elternteils nicht mehr seine Erben sind.

Macht das Kind seinen Pflichtteilsanspruch im ersten Erbfall nun geltend, so ist es von beiden Eltern enterbt. Es hat auch im zweiten Erbfall nur noch Anspruch auf seinen Pflichtteil. Wenn es beim ersten Erbfall den Pflichtteil hingegen nicht einfordert, so fällt ihm als Schlusserbe meist ein wesentlich größeres Nachlassvermögen zu.

Mit der Pflichtteilsstrafklausel kann die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruch nicht verhindert werden. Dieses Recht steht jedem Kind zu. Jedoch kann sie das Kind motivieren, den Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu machen und auf sein Erbe nach dem Tod des letzten Elternteils zu warten.

Einsatz der Pflichtteilsstrafklausel beim Wunsch, die eigenen Kinder zu enterben

Leider gibt es auch Fälle, in denen das Verhältnis der Eltern zu ihrem Kind oder einem ihrer Kinder zerrüttet ist. Dann kann gewünscht sein, dass das Kind nicht erbt und auch keinen Pflichtteil erhält. Der Pflichtteilsanspruch kann allerdings nur in ganz schweren Fällen entzogen werden.

Gerade wenn das Verhältnis von Eltern und Kind gestört ist, wird häufig beim Tod eines Elternteils die Auszahlung des Pflichtteils verlangt werden. Dies gilt umso mehr, wenn das Kind erkennt, dass es ansonsten nichts erben wird.

Auch in dieser Konstellation kann es sinnvoll sein, eine Pflichtteilsstrafklausel in das Testament oder den Erbvertrag aufzunehmen und das eigentlich nicht als Erbe gewollte Kind dennoch als Schlusserbe nach dem Tod des Letztversterbenden einzusetzen. Wichtig ist hierbei, dass der länger lebende Ehepartner das Recht behält, das gemeinschaftliche Testament oder den Erbvertrag auch nach dem Tod des ersten Erblassers noch zu ändern.

Es besteht dann nämlich die Möglichkeit, dass die Pflichtteilsstrafklausel das Kind motiviert, den Pflichtteil im ersten Erbfall nicht geltend zu machen und auf das Erbe nach dem Tod beider Eltern zu warten. Der länger lebende Ehepartner kann aber nun nach dem Tod des ersten Erblassers das Testament ändern und statt des Kindes, einen anderen Schlusserben einsetzen oder nur die verbleibenden Kinder als Schlusserben bedenken.

Zum einen können so mögliche finanzielle Schwierigkeiten vermieden werden, in die der länger lebende Ehepartner bei Auszahlung des ersten Pflichtteils hätte kommen können. Zum anderen lassen sich unter Umständen auch die gesamten Ansprüche des Kindes verringern.

Ist nämlich beim zweiten Erbfall der Pflichtteilsanspruch des Kindes nach dem ersten Elternteil bereits verjährt und wurde nicht geltend gemacht, dann kann dieses nur noch den Pflichtteilsanspruch nach dem zweiten Elternteil geltend machen. Es hat dann insgesamt nur einen Pflichtteilsanspruch erhalten.

Ist der Erbfall des zweiten Elternteils innerhalb der Verjährungsfrist des ersten Pflichtteilsanspruchs oder macht das Kind trotz Pflichtteilsstrafklausel dennoch im ersten Erbfall seinen Pflichtteilsanspruch geltend, dann erhält das Kind natürlich dennoch zwei Pflichtteilsansprüche.

Mit einer Pflichtteilsstrafklausel ist die Wahrscheinlichkeit aber zumindest höher, dass im ersten Erbfall die Kinder keinen Pflichtteil geltend machen. Der länger lebende Ehegatte kann den Nachlass für sich und seine Altersversorgung verwenden.

Gerne beraten und unterstützen Sie unsere Notarinnen individuell bei der Erstellung von Testament oder Erbvertrag.

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