16.11.2021
Der Übergabevertrag – Die lebzeitige Immobilienübertragung von den Eltern auf ihre Kinder
von Notarin Sonja Reiff
Gerade bei größeren Vermögen macht es aus steuerlicher Sicht Sinn, Vermögen bereits zu Lebzeiten der Eltern auf ihre Kinder zu übertragen. Im Falle der Schenkung zu Lebzeiten sowie auch im Erbfall beträgt der Steuerfreibetrag jedes Kindes nach jedem Elternteil 400.000 € und somit von beiden Eltern zusammen 800.000 €. Dieser Steuerfreibetrag entsteht nach 10 Jahren wieder neu. Übertragen somit Eltern an ihre Kinder eine Wohnung oder ein Haus mit einem Wert von je unter 400.000 €, so ist dies steuerfrei. Nach Ablauf von 10 Jahren kann dann erneut eine Schenkung über diesen Wert steuerfrei stattfinden. Gleiches gilt, wenn der Erbfall mindestens 10 Jahre nach der Schenkung erfolgt. Auch dann entstehen die Steuerfreibeträge erneut.
Notarieller Übertrags- oder Überlassungsvertrag
Die Übertragung einer Wohnung oder eines Wohnhauses im Wege der Schenkung von den Eltern an die Kinder muss notariell beurkundet werden und erfolgt im Rahmen eines sogenannten Übertragungs- oder Überlassungsvertrages. Man spricht auch von einer Immobilienübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.
In allen Fällen, aber insbesondere wenn es sich bei der zu übertragenden Immobilie um das selbstgenutzte Wohnhaus der Eltern handelt, ist eine ausführliche Beratung im Vorfeld der Vertragsgestaltung durch den Notar dringend zu empfehlen, sodass die Interessen von beiden Vertragsparteien ausreichend berücksichtigt werden können.
Belastungen der Immobilie mit Grundschulden
Es ist zu unterscheiden, ob die Immobilie mit Grundschulden belastet ist oder ob es sich um einen unbelasteten Grundbesitz handelt. Sind das Haus oder die Eigentumswohnung belastet, dann muss die jeweilige Grundschuld von den Kindern dinglich übernommen werden. Das bedeutet jedoch nur, dass die Belastung auf der Immobilie verbleibt. Werden die durch die Grundschuld abgesicherten Darlehensverbindlichkeiten von den Eltern weiter bedient, entsteht kein Nachteil für die Kinder. Erfolgt dies nicht, kann die Bank die Zwangsversteigerung der Immobilie betreiben. Dann verlieren die Kinder zwar den Grundbesitz, stehen aber zumindest nicht schlechter da als vor der Schenkung. Die Bank kann jedenfalls nicht gegen die Kinder direkt bzw. in deren sonstiges Vermögen vollstrecken.
Übernahme der Darlehensverpflichtungen durch die Kinder
Anders ist es jedoch, wenn in dem notariellen Übergabevertrag vereinbart wird, dass die Kinder die Darlehensverpflichtungen mitübernehmen und die Eltern von der Haftung gegenüber der Bank freigestellt werden sollen. Dann müssen sich auch die Kinder gegenüber der Bank der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterwerfen, damit die Bank mit einem Wechsel der Darlehensnehmer einverstanden ist. Wenn dann die Darlehensraten nicht gezahlt werden, kann die Bank nicht nur in die Immobilie, sondern auch in das übrige Vermögen der Kinder vollstrecken.
Aber auch eine solche Gestaltung ist in einigen Fällen sinnvoll und im Interesse von beiden Vertragsparteien. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn den Eltern die Darlehensverbindlichkeiten zu viel werden und die Kinder die Immobilie für einen geringeren Gegenwert als den üblichen Kaufpreis übernehmen können. In den meisten Fällen ist die noch bestehende Darlehensverpflichtung nämlich geringer als der aktuelle Markt- und Verkehrswert des Grundbesitzes. Die Eltern sind nach der Übertragung schuldenfrei und die Kinder haben für einen geringen Betrag Grundbesitz erwerben können.
Nießbrauchrecht oder Wohnungsrecht
Die Eltern können sich in dem Übertragungsvertrag auch ein Nießbrauchrecht oder ein Wohnungsrecht vorbehalten. Handelt es sich bei dem Schenkungsgegenstand um das selbstgenutzte Wohnhaus oder die selbstgenutzte Wohnung und möchten die Eltern sichergehen, dass sie dort bis zu ihrem Tod leben können, dann ist ein Wohnungsrecht die beste Lösung.
Ist die Immobilie vermietet oder möchten sich die Eltern eine spätere Vermietung vorbehalten, dann ist in den meisten Fällen das Nießbrauchrecht die beste Wahl. Auch kann ein Nießbrauchrecht unterschiedlich gestaltet werden. So kann es so gestaltet werden, dass die Eltern als Nießbrauchberechtigte nicht nur die Mieten erhalten, sondern auch alle Kosten, wie auch Instandhaltung und Instandsetzung zu tragen haben. Dann sind die Kinder zwar als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, aber die Eltern tragen Kosten und Lasten wie ein Eigentümer.
Der Nießbrauch kann aber auch so gestaltet werden, dass gewisse Kosten von den Kindern zu tragen sind.
Rückforderungsrechte der Eltern
Des Weiteren können sich die Eltern auch Rückforderungsrechte vorbehalten. Droht nämlich der Verlust der Immobilie, wie beispielsweise bei Verkauf ohne Zustimmung, Insolvenz, Zwangsversteigerung, Vorversterbens, Geschäftsunfähigkeit oder Scheidung der Kinder, kann für diese und noch weitere Fälle eine Rückübertragungsverpflichtung vereinbart werden.
Diese vertraglich vereinbarten Rückforderungsrechte der Eltern werden im Grundbuch durch eine Vormerkung abgesichert.
Pflichtteilsanrechnung
In dem Übertragungsvertrag kann auch vereinbart werden, dass sich die Kinder die Schenkung des Grundbesitzes auf einen späteren Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen müssen. Ein Pflichtteilsanspruch kann beispielsweise entstehen, wenn sich die Eltern in einem Testament oder einem Erbvertrag gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder erst dann erben sollen, wenn beide Eltern verstorben sind (sog. Berliner Testament). Da die Kinder in dem ersten Erbfall enterbt sind, entsteht ein Pflichtteilsanspruch. Wurde in dem Übertragungsvertrag vereinbart, dass sich die Kinder die Schenkung auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen müssen, dann können sie von dem längerlebenden Elternteil nur noch die Differenz als Pflichtteil verlangen. In diesen Konstellationen sollten die Beteiligten somit über eine Anrechnungsverpflichtung nachdenken.
Minderjährige Kinder
Wird eine Wohnung oder ein Haus an minderjährige Kinder übertragen, dann kommt es auf die konkrete Gestaltung an. Je nach Vertragsgegenstand und Vertragsgestaltung kann es sein, dass die Eltern von der Vertretung der Kinder beim Vertragsabschluss ausgeschlossen sind. Dann muss über das Gericht ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Dieser vertritt die Kinder bei dem Vertragsabschluss.
Unter gewissen Voraussetzungen kann auch die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich sein.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die lebzeitige Überragung von Grundbesitz von den Eltern an die Kinder in den meisten Fällen aus steuerlicher Sicht sinnvoll ist, jeder Einzelfall aber unterschiedliche Regelungen erfordert. Eine ausführliche Beratung durch den Notar ist daher grundsätzlich erforderlich und empfehlenswert.