30.08.2010

AGG: Stellenausschreibung “junger Bewerber gesucht“ ist diskriminierend

Eine Stellenausschreibung verstößt grundsätzlich gegen das Altersdiskriminierungsverbot, wenn ein „junger“ Bewerber gesucht wird.
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines 52-jährigen Juristen. Dieser hatte sich auf eine Stellenanzeige beworben, in der ein Unternehmen für seine Rechtsabteilung „zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen“ suchte. Der Bewerber erhielt eine Absage, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Eingestellt wurde eine 33-jährige Juristin. Der Bewerber verlangte daraufhin von dem Unternehmen wegen einer unzulässigen Benachteiligung aufgrund seines Alters eine Entschädigung in Höhe von 25.000 EUR und Schadenersatz in Höhe eines Jahresgehalts.

Das BAG bestätigte nun die Entscheidung der Vorinstanz. Darin war das Unternehmen verurteilt worden, ein Monatsgehalt Schadenersatz zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Richter machten deutlich, dass die Stellenausschreibung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoße. Die Arbeitsstelle sei unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben worden. Danach seien Stellen u.a. „altersneutral“ auszuschreiben, wenn kein Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vorliege. Die unzulässige Stellenausschreibung stelle ein Indiz dafür dar, dass der Bewerber wegen seines Alters nicht eingestellt worden sei. Da das Unternehmen nicht darlegen konnte, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen habe, stehe dem Kläger ein Entschädigungsanspruch zu. Hier sei ein Monatsgehalt angemessen. Der Bewerber habe nicht beweisen können, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahl eingestellt worden wäre. Daher stehe ihm der geltend gemachte Schadenersatzanspruch in Höhe eines Jahresgehalts nicht zu (BAG, 8 AZR 530/09).
Quelle: IWW Institut für Wirtschaftspublizistik Verlag Steuern – Recht – Wirtschaft GmbH & Co. KG

Dienstwagen: Widerrufsvereinbarung der privaten Nutzung nur bei Sachgrund möglich
Dem Arbeitnehmer ist die Vereinbarung eines Widerrufsrechts nur zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist.
Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) hin. Die Richter machten zwar deutlich, dass das Widerrufsrecht wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein müsse. Bestehe allerdings kein sachlicher Grund für den Widerruf der Überlassung des Dienstwagens auch zur privaten Nutzung, überwiege das Interesse des Arbeitnehmers an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung. Das Interesse des Arbeitgebers an der Änderung der versprochenen Hauptleistungspflicht müsse dahinter zurückstehen (BAG, 9 AZR 113/09).
Quelle: IWW Institut für Wirtschaftspublizistik Verlag Steuern – Recht – Wirtschaft GmbH & Co. KG

Kündigungsrecht: Keine Kündigung wegen Stromdiebstahls für 1,8 Cent
Bei einem Stromdiebstahl im Wert von 1,8 Cent ist eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers in der Regel unwirksam.
Das musste sich ein Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sagen lassen, nachdem er einen Arbeitnehmer fristlos gekündigt hatte. Anlass der Kündigung war ein Elektroroller, mit dem der Arbeitnehmer eines Tages zum Dienst erschienen war. Diesen schloss er in den Firmenräumen an eine Steckdose an, um den Akku aufzuladen. Nachdem der Roller ca. 1 ½ Std. aufgeladen worden war, nahm er den Akku vom Stromnetz, nachdem er von einem Vorgesetzten dazu aufgefordert worden war. Dabei entstanden Stromkosten im Umfang von etwa 1,8 Cent.
Das LAG hielt die fristlose Kündigung für unwirksam. Zwar habe der Arbeitnehmer ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen, weil er heimlich auf dessen Kosten seinen privaten Elektroroller am Stromnetz aufgeladen habe. Es müsse aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Diese gehe zulasten des Arbeitgebers aus. Zu berücksichtigen sei dabei der geringe Schaden von 1,8 Cent, die 19-jährige Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers und nicht zuletzt der Umstand, dass im Betrieb Handys aufgeladen und elektronische Bilderrahmen betrieben wurden, der Arbeitgeber aber bisher nicht eingegriffen hätte. Daher hätte das verloren gegangene Vertrauen durch eine Abmahnung wieder hergestelltwerden können (LAG Hamm, 16 Sa 260/10).
Quelle: IWW Institut für Wirtschaftspublizistik Verlag Steuern – Recht – Wirtschaft GmbH & Co. KG

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht:
GmbH: Fremdgeschäftsführer ist bei Abschluss des Anstellungsvertrags Verbraucher
Ein GmbH-Geschäftsführer handelt beim Abschluss seines Anstellungsvertrags als Verbraucher.
Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) aufmerksam gemacht. Die Richter stellten klar, dass er bereits bei der Tätigkeit als Geschäftsführer keine gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit ausübe. Das gelte umso mehr für den Abschluss des Anstellungsvertrags, zumindest wenn er nicht zugleich als Gesellschafter über zumindest eine Sperrminorität verfüge und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben könne.
Hinweis: Diese Entscheidung hat auch direkte Konsequenzen für die Geltung des AGB-Rechts in Bezug auf den Anstellungsvertrag. Ist dort geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Drei-Monats-Frist gerichtlich geltend zu machen sind (Ausschlussklausel), ist bereits eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung ausreichend, um auch das Erlöschen der vom Ausgang des Rechtsstreits abhängigen Vergütungsansprüche zu verhindern (BAG, 5 AZR 253/09).
Quelle: IWW Institut für Wirtschaftspublizistik Verlag Steuern – Recht – Wirtschaft GmbH & Co. KG