27.06.2019

Erben und Vererben in der Patchwork-Familie

Viele Ehen bleiben heutzutage nicht mehr ein Leben lang bestehen. Neue Partnerschaften werden geschlossen, eine weitere Familie gegründet. Dies führt nicht nur zu Lebzeiten zu verschiedenen rechtlichen Fragestellungen, sondern auch über den Tod hinaus. Denn das deutsche Erbrecht orientiert sich im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge weiterhin an der traditionellen Familie, bei welcher ein verheiratetes Paar dauerhaft zusammen bleibt.

Scheidung und Erbfolge

Kommt es zu einer Scheidung und finden beide Eheleute neue Partner, die sie ehelichen, hat dies erhebliche erbrechtliche Auswirkungen. So verliert bei einer Scheidung ein gemeinsames Testament oder ein Erbvertrag mit dem vorherigen Ehepartner in der Regel seine Wirkung. Nach der gesetzlichen Erbfolge erbt nun der neue Ehepartner, sofern kein anderer Güterstand als die Zugewinngemeinschaft vereinbart wurde, neben den Kindern des Erblassers die Hälfte des Vermögens.

Es stellt sich dann für die Patchworkfamilie die Frage, ob dies gewollt ist.

Im Einzelfall kann das natürlich zu ungewollten Ungerechtigkeiten führen. Ein Beispiel: In einer typischen Patchwork-Familie haben beide Partner Kinder aus vorherigen Beziehungen. Ein Ehepartner hat nur wenig Vermögen in die neue Ehe eingebracht, der andere besitzt eine Immobilie. Wenn dieser nun zuerst stirbt, ohne dass der Nachlass explizit über ein Testament oder einen Erbvertrag geregelt wurden, erbt der neue Ehepartner gemeinsam mit den leiblichen Kindern in Erbengemeinschaft den Nachlass und damit auch die Immobilie. Stirbt dann auch der neue Ehepartner, erben nur seine leiblichen Kinder. Sofern noch etwas aus dem Nachlass des Erstverstorbenen vorhanden ist, geht das somit nicht an die leiblichen Kinder des Erstverstorbenen, sondern an die Stiefkinder.

Ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen

Die gesetzliche Erbfolge ist in vielen Fällen für Patchwork-Familien daher nicht geeignet. Man kann jedoch die Erbfolge nach dem Gesetz durch die Abfassung eines Testaments oder eines Erbvertrages regeln.

Grundsätzlich müssen sich dann die neuen Partner die Frage stellen, ob sie nur jeweils ihre eigenen Kinder als Erben einsetzen und auch den Ehepartner nicht bedenken wollen oder ob sie ein gemeinsames Testament und Erbvertrag machen, in dem beim Tod des Erstversterbenden erst der Ehepartner Alleinerbe ist und dann alle Kinder von beiden Partnern gleichwertig nach dem Tod des Letztversterbenden erben.

Es gibt auch die Möglichkeit, den Ehepartner als Vorerben und die eigenen Kinder als Nacherben einzusetzen. Das bedeutet aber, dass der Vorerbe den Nachlass im Grunde nur verwalten und Nutzungen für sich selbst ziehen darf (z.B. Mieteinnahmen, Zinsen). Er darf aber den Nachlass an sich nicht für sich verbrauchen. Er kann daher nicht eine Immobilie verkaufen und das Geld für sich verwenden. Dies ist natürlich eine starke Einschränkung des Ehepartners und führt manchmal sogar dazu, dass dieser im Alter in finanzielle Schwierigkeiten gerät, falls er sich aus seinem eigenen Vermögen nicht versorgen kann. Da häufig der Wunsch der Erblasser aber gerade auch ist, den Ehepartner abzusichern, ist die Vor- und Nacherbschaft in den meisten Fällen nicht zu empfehlen. Es gibt jedoch Alternativen dazu.

Eine davon ist, die eigenen Kinder als Erben einzusetzen und den Ehepartner über Nutzungsrechte (z.B. Nießbrauchrecht an einer Immobilie) oder über andere Arten von Vermächtnissen abzusichern und zu bedenken.

Stets muss der konkrete Einzelfall, das voraussichtlich vorliegende Vermögen und der Wille der Erblasser betrachtet werden. Der Notar gibt Hilfestellung, berät, stellt den Willen des Erblassers fest und entwirft dann ein Testament oder einen Erbvertrag, der eindeutig ist und später nicht zu Auslegungsschwierigkeiten führt.

Probleme bei unverheirateten Paaren

Schwierigkeiten können sich auch ergeben, wenn im Rahmen einer neuen Partnerschaft keine Ehe eingegangen wird und vielleicht sogar die erste Ehe noch gar nicht geschieden ist. Bis zum Scheidungsantrag eines Ehegatten und der Zustimmung des anderen zu diesem ist der Noch-Ehepartner nämlich immer noch gesetzlicher Erbe. Um dies zu verhindern, kann jedoch ein Testament gemacht werden, in dem der Ehepartner nicht bedacht wird.

Noch ein weiteres Beispiel:

Das unverheiratete Paar erwirbt gemeinsam ein Haus oder eine Wohnung, in der sie auch gemeinsam leben. Einer der beiden Partner verstirbt. Da es keine rechtlich verbindliche Beziehung zwischen beiden gab, steht dem länger lebenden Partner im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge kein Erbe zu. Die dem verstorbenen Partner gehörende Hälfte der Immobilie wird demzufolge unmittelbar nach dessen Tod von seinen Kindern geerbt.

Hat der länger lebende Partner nun kein Geld, um die Erben auszuzahlen und ihnen ihre Hälfte abzukaufen oder die Erben sind nicht zum Verkauf bereit, kann er gezwungen sein, aus dem eigenen Heim auszuziehen. Auch dieses Problem lässt sich durch eine rechtzeitige Vorsorge zu Lebzeiten und durch letztwillige Verfügungen regeln. So können durch ein Testament oder einen Erbvertrag entweder der Lebensgefährte direkt bedacht werden oder die Erben zumindest verpflichtet werden, dem Lebensgefährten ein lebenslanges Nießbrauch- oder Wohnungsrecht zu gewähren. Auch zu Lebzeiten können die Lebensgefährten sich gegenseitig diese Rechte einräumen und im Grundbuch eintragen lassen.

Testament für unverheiratete Paare

Gerade bei Paaren ohne Trauschein ist es fast unumgänglich ein Testament oder einen Erbvertrag abzufassen. Dies gilt übrigens auch dann, wenn keine Kinder aus früheren Beziehungen vorhanden sind. Denn unverheiratete Partner sind nach der gesetzlichen Erbfolge keine gesetzlichen Erben.

Ohne Heirat ist ein gemeinschaftliches Testament jedoch nicht möglich. Es muss dann zwingend ein Erbvertrag gemacht werden, der stets notariell zu beurkunden ist.

Erbschaftssteuern bedenken

Neben der Erbfolge an sich sind steuerliche Aspekte zu beachten. Während Ehegatten mit 500.000 Euro und Kinder mit 400.000 Euro in den Genuss vergleichsweise hoher Freibeträge bei der Erbschaftssteuer kommen, liegt dieser bei unverheirateten Paaren bei lediglich 20.000 Euro. Hinzu kommt, dass der den Freibetrag übersteigende Teil des Vermögens mit Erbschaftssteuerklasse III zu einem wesentlich höheren Satz versteuert werden muss.

Die gemeinsam erworbene Immobilie kann im Erbfall bei unverheirateten Paaren dann zur  finanziellen Notlage werden. Wenn beispielsweise die Rente des überlebenden Partners nicht zum Abtrag der Erbschaftssteuer auf die andere Haushälfte genügt, kann er gezwungen sein, die Immobilie zu verkaufen. Auch eine Schenkung zu Lebzeiten ist keine Lösung, da lediglich Freibeträge in gleicher Höhe gelten.

Bei der Nachlassregelung in Patchwork-Familien – und gerade bei unverheirateten Paaren – gilt es immer die steuerliche Seite mit im Auge zu behalten. Unter Umständen kann auch eine späte Eheschließung sinnvoll sein.

Fazit

Bei der Nachlassreglung von Patchwork-Familien gibt es viele Aspekte zu beachten. Die gesetzliche Erbfolge ist hier selten eine gute Lösung und wird dem Willen des Erblassers meist nicht gerecht.

Das deutsche Erbrecht bietet jedoch gute Möglichkeiten, über die Errichtung eines Testamentes oder Erbvertrages den Nachlass flexibel und individuell zu gestalten. Notare können Sie hierbei unterstützen und für die notwendige Rechtssicherheit sorgen.

 

Weitere Informationen zum Thema:

Checkliste Testament

Gesetzliches Erbrecht und Ehegattenerbrecht

Adoption von Kindern und Erwachsenen: Auswirkungen im Erbrecht

Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag  

Vortragsunterlagen Erben und Vererben
(Infoveranstaltung am Bürger-Info-Tag 2019 der Notarkammer Frankfurt am Main)